Pressemeldung (Archiv)

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13. Juni 2020

Fronleichnam fällt ins Wasser

Die Landwirte werden sich sicherlich gefreut haben, während wir zumindest für die Prozession auf besseres Wetter gehofft hatten. Wegen eines starken Gewitterschauers musste unsere Feier vorzeitig beendet werden.

© Bernd Holtkamp
© Bernd Holtkamp
© Bernd Holtkamp
© Bernd Holtkamp
© Bernd Holtkamp
© Bernd Holtkamp

150 Personen hatten sich angemeldet für die erste gemeinsame Feier aller vier Gemeinden und dann pünktlich zu 18.30 Uhr kamen die ersten Regentropfen. Nach dem Wortgottesdienst und dem Vater Unser wurde der sakramentale Segen gespendet und der Gottesdienst vorzeitig beendet.

Trotzdem ein riesiges Dankeschön allen Helfern und Mitfeiernden!

Die Predigt, die leider nicht mehr gehalten werden konnte, finden Sie hier zum Nachlesen.

Predigt von Pfarrer Bernd Holtkamp

Liebe Schwestern und Brüder, Um das Jahr 1560 schuf der Niederländische Renaissance-Maler Pieter Bruegels (d.Ä.) ein großartiges Kunstwerk. Der (kl. )Turmbau zu Babel– das war die Geschichte, die den Künstler ansprach; die er in einem Ölgemälde in Szene setzen wollte. – Und das Werk kann sich sehen lassen. 

Die meisten werden die biblische Erzählung kennen: Im Buch Genesis wird das Vorhaben der Menschen geschildert, einen Turm zu bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reichen sollte. Der Turmbau zu Babel wurde ein Sinnbild, ein Synonym schlechthin für den Hochmut des Menschen, für den Hochmut und für seine Folgen: Vor einem halben Jahr dachten viele noch, wir seien die Herren der Welt… hätten alles gut im Griff… Wir wurden eines Besseren belehrt.

Die Folge des Hochmuts beim Turmbau zu Babel: Ein nichtmehr verstehen können; Sprach-Verwirrung und Scheitern. – Die Schlagzeilen dieser Tage geben auch beredt Zeugnis davon, was Babel meint. Wenn wir die gesellschaftlichen Spaltungen in den USA wahrnehmen oder die Diskussionen über die Corona Maßnahmen, inklusive mancher Verschwörungstheorie.

Der Turmbau zu Babel - das Gegenbild zum Pfingstfest, das schon wieder zwei Wochen zurückliegt. – Pieter Bruegels hielt diese Szene von Babel im Öl-Gemälde fest; es gleicht einem der - heute bei Kindern beliebten - Wimmelbildern, auf denen es unendlich viele Details zu sehen gibt, die zum Erzählen und Weiterdenken einladen. Der Betrachter blickt auf eine riesige Turmbaustelle. Der Bau ist weit fortgeschritten, aber er neigt sich schon bedrohlich nach links. Bei genauerem Hinsehen wird man eine Besonderheit entdecken. Der Maler Pieter Bruegels, selbst evangelischer Christ, versteckt in seinem Bild eine deutliche Kritik an der katholischen Kirche: Ziemlich genau in der geometrischen Mitte des Gemäldes sieht der Betrachter eine Menschenansammlung, die der unsrigen heute Abend sehr ähnelt. Eine Fronleichnams-Prozession schreitet mit rotem Baldachin, die Windungen des Bauwerks hinauf. Die Botschaft Bruegels: Die Fronleichnamsprozession – wie der Turmbau zu Babel selbst – nach Ansicht des niederländischen Malers ein und derselbe Götzendienst. Und damit bewegt sich der Maler in gut lutherischer Tradition seiner Zeit:

1521 wetterte Martin Luther und sagte: „Ich bin keinem Fest mehr feind ... als diesem. Denn Fronleichnam ist das allerschändlichste Fest. An keinem Fest – so Luther - wird Gott und Christus mehr gelästert, denn an diesem Tage und sonderlich mit der Prozession. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man’s nur zum Schauspiel umherträgt und eitel Abgötterei damit treibet. Darum hütet euch vor solchem Gottesdienst!“

Und die Antwort der katholischen Kirche ließ nicht lange auf sich warten:
Kurze Zeit später forderte das Trienter Konzil die katholischen Gläubigen dazu auf, das Fest Fronleichnam mit Glanz und Gloria zu feiern; das Fest müsse den Triumph der Wahrheit derart darstellen, dass „deren Gegner (also die Lutheraner) angesichts solchen Glanzes und einer solchen Freude der ganzen Kirche entweder ... dahinschmelzen oder aber von Scham erschüttert endlich zur Einsicht kommen“.

Mit diesen Zitaten dürften die Fronten gut umrissen sein:
Das Fronleichnamsfest ein Götzendienst – eine Feier des Hochmuts? – so Martin Luther vor Jahrhunderten. Fronleichnam: Ein Fest des gesunden, katholischen Selbstbewusstseins – so das einstige Konzil. Wer hat nun recht? Mit welcher Haltung, mit welchem Selbstbewusstsein feiern wir heute im Jahr 2020, unter Corona-Bedingungen Eucharistie, genauer gesagt, Fronleichnam? Wie steht es um unser Selbstbewusstsein, als Christen in Bakum, Carum, Lüsche und Vestrup? Ist das, was wir heute tun, Feier des Hochmuts – so die Kritik eines Malers? Ist da was dran? Und wie zutreffend sind da, liebe Schwestern und Brüder, die Worte der ersten Lesung:
Da war von einer Quarantäne die Rede, wie passend:

Hören wir nochmal hin:

„Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während der vierzig Jahre in der Wüste geführt hat, um dich gefügig zu machen und dich zu prüfen. Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht.“

Liebe Schwestern und Brüder,
damit dürften die zurückliegenden Wochen und Monate gut umrissen sein. Eine lange Zeit der Prüfung, die uns die Antwort abgerungen hat, was wichtig ist im Leben, was wertvoll und kostbar ist? Viele von uns haben gehungert, haben sich gesehnt nach Gemeinschaft, nach Begegnung, nach Umarmung eines lieben Menschen, auch nach der gemeinsamen Feier unseres Glaubens. Oft habe ich in den Wochen vor Ostern allein Eucharistie gefeiert, in meiner Wohnung - Pfarrer Allam und Pfarrer Taphorn auch - stellvertretendes Gebet und Gotteslob und trotzdem eigenartig, ernüchternd und traurig. Zeit der Prüfung, die irgendwie demütig macht. Und gerade Ostern die beißende Frage, haben wir Seelsorger die Gemeinden eigentlich befähigt, ihren Glauben daheim, in der Familie, mit eigenen Riten und Gesten angemessen auszudrücken und zu feiern? Das sind Fragen mit denen ich noch lange nicht fertig bin. Wochen und Monate ohne öffentliche Gottesdienste - eine harte Prüfung für uns alle.

Hören wir noch einmal die erste Lesung:

„Der Herr wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von jedem Wort lebt, das aus Gottes Mund hervorgeht.“

Liebe Schwestern und Brüder,
heute, da wir ein besonderes Brot feiern; Christus in der Eucharistie, klingen diese Worte fast ketzerisch, irgendwie relativierend. Das Wort Gottes als Lebensquell, das gesprochene und gesungene Gotteslob als Fundament unseres Glaubens. Und welchen Raum darf dieses Wort Gottes haben das Gotteslob, das Gebet, in unseren Familien, im Alltag – gerade dann, wenn wie in Corona-Zeiten, die Feier der Eucharistie nicht oder nur eingeschränkt möglich ist? Die zurückliegenden Wochen und Monate – und Corona ist noch lange nicht vorbei – waren, sind und bleiben eine Prüfung sondergleichen. Eine Prüfung, die ernüchternd sein kann - und heilsam, reinigend zugleich:

Noch einmal das Ende der ersten Lesung:

„Nimm dich in Acht, dass dein Herz nicht hochmütig wird und du den Herrn, deinen Gott, nicht vergisst!“

Das ist die alles entscheidende Frage; die Frage, die uns in den kommenden Wochen und Monaten noch viel beschäftigen muss! Es ist die Eingangsfrage, die Frage, wie es um unser Selbstbewusstsein steht: Und das Wort Selbstbewusstsein ist ein gefährliches, weil missverständliches Wort. Wir, alle, ein jeder einzelne von uns, und wir alle als Gemeinschaft, in den Familien und in unseren Gemeinden müssen uns der Frage stellen, ob der Herr in unserer Mitte sein darf oder nicht. Ob der Herr Raum in uns haben darf, ob er über uns bestimmen darf, mit allen Folgen, oder eben nicht. Nährt sich unser Selbstbewusstsein von Christus her, oder wollen wir selber, auf uns allein gestellt, ganz unabhängig Türme, wie in Babel bauen?

Eines, liebe Schwestern und Brüder, haben die zurückliegenden Wochen gezeigt:
Christus kann man nicht haben, Christus kann man nicht besitzen. Gemeinschaft mit Christus, Gemeinschaft in der Feier der Liturgie, Gemeinschaft in unseren Pfarrheimen, in unseren Vereinen und Verbänden - das ist etwas so Kostbares und Wertvolles, dass wir es eigentlich ganz neu begreifen und wertschätzen müssen. Wir brauchen einen Lernprozess. In den kommenden Wochen und Monaten brauchen wir als Kirche einen Lernprozess, ein neues Wertschätzen. Es bedarf einer Klärung unsers Selbstbewusstseins, dass sich von Christus her nähren muss.

Der heutige Abend, die heutige Feier ist ein guter Anfang, kann ein fruchtbringender Beginn sein. Gerade da, wo wir uns nicht von Ängsten und Sorgen leiten lassen, „früher war mehr Lametta…“, sondern, wo wir etwas neues wagen.
Ich glaube, alle, die heute Abend hier versammelt sind, können erahnen, dass die zurückliegenden Wochen eine reinigende Prüfung waren und dass wir eines gesunden Selbstbewusstsein bedürfen.

Eine Kirche, ohne Christus in der Mitte, braucht kein Mensch, braucht niemand. Ein gesundes Selbstbewusstsein soll uns prägen! Das Bewusstsein, dass wir in Christus und mit allen seinen Gliedern - ein Leib sind. Wer ganz und gar aus seinem Wort und aus der Eucharistie lebt – und mit beiden Beinen selbstbewusst im Alltag steht. Seht – der kann Türme bauen, Türme, die bis zum Himmel reichen.

Amen.